Zum Glück wurde Daniel nicht gefressen
300 Kinder erleben einen religionspädagogischen Tag im Zoo Hannover
„So groß war das Maul des Walfischs, in dem Jona verschwand“, sagt Hannelore Hübner und breitet ihre Arme weit auseinander. Schreck steht in den Augen der neun Kinder, die sich am Ufer des Sambesi dicht um die Erzählerin scharen. Doch als der Walfisch den Propheten nach Tagen an den Strand ausspuckt und Jona seinen göttlichen Auftrag in Ninive erfüllt, entspannen sich die Fünf- und Sechsjährigen sichtlich. Wie Jona ohne Essen und Trinken im Bauch des Fisches überleben konnte und warum er überhaupt ins Meer geworfen wurde, wollen sie dann wissen und Lara bekennt schüchtern, dass sie sich ziemlich Sorgen um Jona gemacht hat.
Die Kita-Kinder der hannoverschen Zachäusgemeinde verbringen mit weiteren rund 150 Kindern einen religionspädagogischen Tag im Zoo, der von der Evangelischen Familien-Bildungsstätte (Fabi), dem Stadtkirchenverband und der Hannoverschen Bibelgesellschaft e.V. organisiert wurde. „Das Angebot richtet sich an die Kinder im Übergang von der Kita in die Schule“, sagt Fabi-Pädagogin Constanze Gäthje. „Sie sollen vor diesem biografisch bedeutsamen Wechsel noch einmal eine spirituelle und eine Ich-Stärkung erhalten und dazu eignen sich biblische Geschichten sehr gut.“ Erzählungen aus der Bibel stehen deshalb auch im Mittelpunkt des Zootages. An neun Stationen, verteilt auf das gesamte Gelände, empfangen professionell ausgebildete ErzählerInnen die jeweiligen Kita-Gruppen und deren begleitende Mitarbeitende mit einer Geschichte.
Natürlich darf da das Löwengehege nicht fehlen, denn einmal gibt es dort die spannende Geschichte von Daniel in der Löwengrube zu hören und zum anderen haben die Zoolöwen gerade Nachwuchs bekommen. Aufgeregt bestaunen die Kinder die drei kleinen Fellknäuel, die sich hinter der Glasscheibe über den Grasboden kugeln, spielerisch miteinander raufen und dabei sorgsam von der Löwenmama bewacht werden. Ernst wird es, als Christian Laengner berichtet, wie Daniel einer feindlichen Arglist zum Opfer fällt und in die Löwengrube geworfen wird, aus der noch nie jemand lebend wieder herauskam. Doch Daniel hat keine Angst, betet, singt und weiß sich in Gottes Hand geborgen. Angst haben auch die Kinder nicht, denn Laengner bindet die Kinder schnell in das Geschehen ein und seine warme Erzählerstimme führt sie sicher durch Daniels Abenteuer. Außerdem weiß Ida ganz genau, dass „Kindergeschichten immer gut ausgehen“.
Mit dieser Sicherheit im Rücken hören die Jungen und Mädchen dann noch die Geschichte vom verlorenen Sohn, die Steffen Marklein von der Hannoverschen Bibelgesellschaft im Bauernhof-Stall des Zoos erzählt. Ganz einverstanden sind die Kinder damit, dass der Vater dem abtrünnigen Sohn nicht böse ist und ihn mit offenen Armen wieder aufnimmt. Neben Marklein haben die Bunten Bentheimer Schweine ihr Zuhause, doch sie schlafen gerade. Aber die Ziegen sind neugierig und lassen sich gerne von den Kindern streicheln. Bald geht es zurück in die große Scheune von Meyers Hof, in der sich zum Abschluss noch einmal alle Kinder versammeln. Das Zoolied von Gitarrist und Sänger Holger Kiesè „Jedes Tier braucht ein Zuhause“ singen die Kinder kräftig mit und viele wissen Beispiele, als Moderatorin Gäthje mit ihnen über ihre Stärken und Gründe, Gott dankbar zu sein, spricht. Alle wollen dann das Stoff-Küken anfassen, das Reinhard Krüger nach seiner szenischen Einlage als „Nilgans“ in einem Nest durch die Reihen der kleinen Zuhörerinnen und Zuhörer trägt.
„Mit dem religionspädagogischen Zootag wollen wir zum einen den Kindern biblische Geschichten nahebringen, zum anderen sollen auch die Mitarbeitenden in den Kitas zum Erzählen ermutigt werden“, sagt Krüger, religionspädagogischer Fachberater bei der Geschäftsstelle Kindertagesstätten (KITS) des Stadtkirchenverbandes. Pastor Marklein weist darauf hin, dass „in vielen biblischen Geschichten Tiere vorkommen“ und besonders diese seien für den Zootag ausgewählt worden. Die Veranstaltung, die von der Landeskirche Hannovers finanziell unterstützt wurde, fand jetzt mit insgesamt 300 Kindern an zwei Tagen statt. „Evangelische Kindertagesstätten sind für alle Familien offen, gleich welcher Religionszugehörigkeit“, betont Krüger. „Die Vermittlung der christlichen Tradition gehört jedoch auch zu ihrem Profil.“ Für muslimische Eltern sei es manchmal wichtig, „dass in Kindergärten überhaupt noch von Gott gesprochen wird“, zweitrangig sei, ob es sich dabei um Allah oder den christlichen Gott handle, hat Gäthje in Gesprächen erfahren.
In der Zachäus-Kita kommen nicht nur die Kinder aus unterschiedlichen Kulturen und religiösen Traditionen. „Wir haben auch muslimische Mitarbeitende“, sagt Erzieherin Yvonne Hillringhaus. „Grundlage unserer Arbeit ist, dass der Mensch im Vordergrund steht und nicht seine Religionszugehörigkeit.“ So greifen die Mitarbeitenden neben christlichen Inhalten beispielsweise zu Ostern oder Weihnachten auch die Feste anderer Religionen auf, von denen die Kinder erzählen, wie das muslimische Zuckerfest. Einmal im Monat kommt die Gemeindediakonin zum Erzählen biblischer Geschichten in die Kita, manchmal singen die Kinder auch bei Gemeinde-Gottesdiensten in der Kirche oder feiern eigene kleine Andachten.
„Die existenziellen Grundfragen der Kinder sind die gleichen“, weiß die Erzieherin. „Wenn wir einen toten Frosch im Garten finden, wollen alle wissen, was mit ihm passiert, wo er jetzt ist, und alle helfen mit, ihm ein kleines Grab zu schaufeln.“ Zu sehen, wie gebannt die Kinder bei dem Zootag an den Lippen der Erzählenden hingen, hat sie und ihre Kollegin Stefanie Klein nachhaltig beeindruckt. Lebendig und packend seien die biblischen Geschichten erzählt worden, lobt Hillringhaus. „Vor allem ist es den Erzählerinnen und Erzählern gelungen, die Brücke ins Jetzt, in die Lebenswelt der Kinder zu schlagen“, sagt Hillringhaus. Kurz und knapp fällt die Bilanz des Zootages für Niklas, Tiago und Lotte aus: „Am besten waren die Löwenbabys und dass Daniel nicht gefressen wurde.“